Alle Beiträge von Belen López

9 Geschichten

Szenario 1: Eine für alle Situationen passende Lösung

Nationale Mobilisierung und Fokussierung auf Technologie Was seit 2013 geschah

Während der Jahre nach 2015 wurden die Leistungen des öffentlichen Gesundheitssystems in Folge der Finanzkrise und der nationalen Budget-Defizite erheblich reduziert. Dies führte zu einer Reduktion der öffentlichen Gesundheitsversorgung. Letztendlich war das Gesundheitssystem in einem solch schlechten Zustand, dass die älteren pflegebedürftigen Menschen nicht die nötigen Gesundheitsdienstleistungen erhielten.

2020 stimmte das Parlament, nach einer besorgniserregenden Berichterstattung durch die Medien und landesweitem Druck, einer politischen Lösung zu. Das Gesundheitssystem musste sich ändern – daher übernahm nun die Bundesregierung die volle Kontrolle über das System. Der neue Service wurde, basierend auf zwei Säulen, neu definiert: Hilfsgeräte für alle dahingehend Bedürftigen, die so genannten „Pflege-Pakete“ (Sicherheit-Gesundheit-Pflege-Paket) und ein präventives Gesundheitssysem.

Das Ziel dieser Transformation ist, es den älteren pflegebedürftigen Menschen im ganzen Land zu ermöglichen, ein unabhängiges Leben in ihrem eigenen Wohnumfeld zu führen – trotz ihres beeinträchtigten Gesundheitszustand und der Notwendigkeit von Behandlungen. Standardisierte Technologie-Komplettpakete sichern ein Mindestmaß an Qualität und Sicherheit für pflegebedürftige ältere Menschen, unabhängig von ihrem Wohnumfeld oder persönlicher Finanzstärke.

Die Rolle der Länder und Gemeinden ändert sich

Die Länder und Gemeinden sind immer noch für den Großteil der öffentlichen Pflegeversorgung verantwortlich. Jedoch bestimmen nun die nationalen Standards, welche Home-Care-Technologien (Technologien für die häusliche Pflege) und Leistungen die Länder und Gemeinden bereitstellen müssen.

Jedem Pflegebedürftigen wird ein Pflege-Paket angeboten. Das Pflege-Paket besteht aus verschiedenen Hilfsgeräten wie Körpersensoren, Monitoring- und Tracking Geräten, die vom Benutzer getragen werden oder im Haus angebracht werden können (Smart-Home-Technologie). Die Benutzung des Pflege-Pakets kann die Kommunikation mit der Familie, dem Gesundheitsdienst, Freiwilligenorganisationen oder einem Rettungsdienst, z.B. dem Krankenwagen, ermöglichen. Das Pflege-Paket kann auch beobachten und auf bestimmte Auslöser mit einem Alarm reagieren. Diese Pflege-Pakete und die korrespondierenden Leistungen können je nach Bedarf erweitert werden.

Die Bundesregierung entwickelte ein kontinuierliches, intensives E-Learning-Bildungsprogramm, welches darauf fokussiert ist, wie das Pflege-Paket an die Nutzerbedürfnisse angepasst werden kann und wie die Pflege-Pakete bedient werden. Alle im Gesundheitswesen Beschäftigten müssen dieses Programm absolvieren.

Die regionale Verwaltung ist für die Auswahl und Installation der Pflege-Pakete im Wohnumfeld der pflegebedürftigen Menschen verantwortlich.  Des Weiteren ist sie auch dafür verantwortlich, die über die Pflege-Pakete erhobenen Daten aufzuzeichnen und im Falle einer Alarmierung dementsprechende Maßnahmen zu setzen.

gunnar 05 Guido

Guido lebt in einem von der Gemeinde verwalteten Zentrum für Tagespflege. Eigentlich ist Guidos allgemeiner Gesundheitszustand noch etwas zu gut, um einen Platz in einem Zentrum für Tagespflege angeboten zu bekommen. Zuvor lebte er in einem alten, abgeschieden gelegenen und unpraktischen Haus. Außerdem ergaben die Ergebnisse des verpflichtenden Alzheimer-Screenings, dass er in naher Zukunft noch pflegebedürftiger sein würde. Aus diesen Gründen wurde ihm ein Platz in diesem Zentrum angeboten.

Aufgrund von Guidos Demenz wurde sein Pflege-Paket auf die Stufe „Spezial Pflege-Paket Stufe 3“ erweitert. Eine technologische Erweiterung dieser Stufe ist unter anderem ein in den Schuhen eingebauter GPS-Empfänger. Dieses erweiterte Pflege-Paket ermöglicht es ihm sich freier zu bewegen und jederzeit einen Spaziergang zu machen, ohne befürchten zu müssen, dass er sich verirrt. Die Pflegerinnen und Pfleger können jederzeit den Aufenthaltsort von Guido bestimmen.

Unzählige Monitoring  und Sicherheitseinrichtungen im Tagespflegezentrum erlauben es, die Bewohnerinnen und Bewohner umfassend zu beobachten. So sind zum Beispiel die Türschlösser, die Fenster, das Licht und die Heizung automatisch gesteuert. Zusätzlich zeichnen die Pflegerinnen und Pfleger des Tageszentrums weitere Parameter der Bewohnerinnen und Bewohner auf. So werden zum Beispiel ihre Schlafgewohnheiten bei vorherrschenden Schlafstörungen über Armbänder mit eingebauten Schlafsensoren aufgezeichnet. Die Aufzeichnung und Analyse unterschiedlicher personenbezogener Daten (Vitaldaten, Schlafdaten usw.) ermöglichen es dem Pflegepersonal, im Falle von Abweichungen des Gesundheitszustandes oder des Verhaltens, frühzeitig einzugreifen und präventive Maßnahmen zu setzen.

Guido besucht stets die Sporteinheit am Vormittag. Den restlichen Tag bleibt er allein, außer er entschließt sich dazu, mit den anderen Bewohnerinnen und Bewohnern im gemeinschaftlichen Esszimmer zu essen. Guidos einziger Kontakt zum Pflegepersonal des Tagespflegezentrums ergibt sich, wenn etwas vom Normalzustand Abweichendes vorfällt. Dies kommt allerdings sehr selten vor.

Guido fühlt sich trotz seiner Krankheit sowohl frei als auch sicher, das zu tun, was er will. Manchmal wird ihm bewusst, dass er jederzeit unter Beobachtung steht, was ihm teilweise unangenehm ist. Dennoch überwiegt das positive Gefühl der Sicherheit und Freiheit im alltäglichen Leben.

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Franz und Hilla

Franz und Hilla benötigen beide ein gewisses Maß an Unterstützung in ihrem alltäglichen Leben. Die Bedürfnisse, die von den Pflege-Paketen nicht abgedeckt werden, werden von ihrem Sohn und ihrer Stieftochter übernommen. Franz und Hilla nehmen beispielsweise all Ihre Mahlzeiten zusammen mit ihrer Familie ein.

Da Franz COLE[1] hat, muss sein Zustand regelmäßig überprüft werden. Er erledigt sein Training und alle seine Messungen von zu Hause aus. Der Fernseher im Wohnzimmer gibt ihm die notwendigen Anweisungen dazu. Nach jeder Trainingseinheit werden sämtliche Daten an das nächstgelegene Krankenhaus gesendet. Danach bespricht er die Ergebnisse mit seinem Physiotherapeuten und teilweise auch mit seiner Ärztin direkt

über den Fernseher im Wohnzimmer. Franz fühlt sich bereits ziemlich vertraut mit dem Personal im Krankenhaus, obwohl er seit 15 Monaten nicht mehr dort gewesen ist.

Um die Kosten der COLE-Ausrüstung vom Land ersetzt zu bekommen, muss Franz an einem Trainingsprogramm teilnehmen. Er steht dem Ganzen aber nicht sehr positiv gegenüber. Seine Motivation hat sich jedoch durch ein neues Gerät gesteigert. Dieses Gerät misst und aggregiert den Puls und das Lungenvolumen und stellt sie in einer verständlichen Art und Weise dar. Er findet es spannend, die Daten aufzuzeichnen und den Fortschritt seiner Leistungen dargestellt zu bekommen.

Hilla zeichnet täglich ihren Puls, ihren Blutdruck und ihr Gewicht auf. Ihr fällt das gar nicht mehr auf und sie wird nur noch durch Anrufe ihres Arztes im Falle von Abnormalitäten ihres EKG bzw. ihres Blutdrucks daran erinnert. Sie findet das beruhigend. Das einzige, was Hilla im Moment verwirrt, sind die Medikamente, die sie nehmen muss. Es ist vor allem die permanent variierende Medikation, die sie verunsichert. Sie ist auf ihren „smarten“ Tablettendispenser angewiesen, mit dem ihr Arzt ihr stets die richtige Dosis verschreiben kann. Zusätzlich wird Hilla durch eine App an die Einnahme der richtigen Dosis und Tabletten erinnert.

Im Laufe der Zeit haben sich mit den Pflege- Paketen, der COLE-Ausrüstung und den smarten Tablettendispensern bereits einige Geräte angesammelt. Franz kümmert sich mehr, als eigentlich notwendig wäre, um sämtliche Geräte am Laufen zu halten. Wenn Fehler auftreten bzw. Systeme Ausfallen oder ein Software-Update nicht funktioniert, kontaktiert er umgehend den technischen Dienst der Gemeinde.

Franz ist sich bewusst, dass es viel bessere Geräte und Sensoren gibt, welche für seine Frau und ihn hilfreich wären, jedoch sind diese viel zu teuer für sie. Deshalb müssen sie sich mit den standardisierten Pflege-Paketen zufrieden geben.

Franz ist teilweise frustriert. Er hat das Gefühl, dass die Pflege-Pakete veraltet sind und dass es technische Möglichkeiten gäbe, die für ihre täglichen Ansprüche besser geeignet wären. Hilla ist ganz zufrieden mit der Ausrüstung. Sie ist froh, dass ihr Mann ihr bei Problemen mit den Geräten weiterhelfen kann.

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Elfriede

Elfriede geht es bereits viel besser seit ihrem Oberschenkelhalsbruch im letzten Jahr. Das von den Ländern und Gemeinden zur Verfügung gestellte Rehabilitationsprogramm, welches sowohl im lokal verwalteten Trainingscenter als auch bei ihr zu Hause stattgefunden hat, war sehr intensiv und überaus effektiv.

Bei ihr zu Hause wurden als Teil des Pflege-Paketes in allen Räumen Sturzsensoren installiert. Elfriede denkt, dass das für sie die beste verfügbare Form von Sicherheit zum momentanen Zeitpunkt ist. Sie kann nur darauf vertrauen, dass die Systeme (Audio, Video) erst dann aktiviert werden, wenn Verdacht auf einen Sturz besteht.

Nach ihrer Operation, war Elfriede noch mehr auf Hilfe im alltäglichen Leben angewiesen als sonst schon. Sie hatte extra einen in Pflegerecht spezialisierten Anwalt engagiert, der sich darum kümmerte, dass sie auch tatsächlich all die Unterstützung erhielt, die ihr rechtmäßig zusteht. Neben anderen Dienstleistungen, wurde ihr von öffentlicher Hand aus eine Hilfskraft für zu Hause zugeteilt. Die Hilfskraft kümmerte sich  einmal in der Woche um den Haushalt und half ihr bei Einkäufen. Sämtliche Arbeiten, die die Hilfskraft zu Hause verrichtete, wurden im Smartphone notiert. Sogar  die Einkaufsliste wurde so dokumentiert. Der so erstellte Bericht wurde direkt an den lokal verantwortlichen Pflegedienstleister gesendet. Die Einkaufliste wurde hingegen an das Lebensmittelgeschäft geschickt. Auf diesem Weg dokumentierten und berichteten die so genannten Haushaltshilfskräfte zur gleichen Zeit. Während die Haushaltshilfskräfte ihre Arbeiten dokumentierten, servierte ihnen Elfriede immer einen Kaffee. Jetzt, wo Elfriede sich von ihrem Oberschenkelhalsbruch nahezu vollkommen erholt hat, und auf keine Hilfe im Haushalt mehr angewiesen ist, vermisst sie ihre wöchentlichen Besuche.

Elfriede bleibt über E-Mails und Chats mit ihren Kindern in Kontakt. Sie sitzt aber nicht gerne übermäßig lange vor dem Computer.

Elfriede ist soweit glücklich. Ihre Genesung ist schnell und erfolgreich von statten gegangen. Jedoch hat sie sich noch immer nicht vollkommen an die Technologien ihres Pflege-Pakets gewöhnt (Sturzsensoren, Kameras etc.). Sie beschleicht ein unbehagliches Gefühl, wenn sie daran denkt, dass andere Personen jederzeit in ihre Privatsphäre eindringen könnten, ohne dass sie es bemerkt. Außerdem fühlt sie sich des Öfteren einsam, weshalb sie in letzter Zeit einige (vorgetäuschte) „Unfälle“ hatte und deshalb sofort jemanden vom medizinischen Personal kontaktierte, obwohl es keine ernsten Zwischenfälle waren.

Fragen, die zu beachten sind

  • Sollen nationale Maßnahmen gesetzt werden, um die Anwendung von Technologien im Gesundheits- und Pflegesektor maßgeblich zu steigern? Was wäre die Rolle der Bundesregierung?
  • Was sind die Chancen und Herausforderungen für ältere pflegebedürftige Menschen im Szenario „Eine für alle passende Lösung“?
  • Sind Länder und Gemeinden bereit, neue Technologien entsprechend  den neuen nationalen Standards anzuwenden und zu betreuen?
  • Was sind die Hauptherausforderungen für die Länder und Gemeinden (Fachkompetenz, Kosten, gesellschaftliche Werte, usw.)? (Wie) können diese Herausforderungen bewältigt werden?

 

Szenario 2: Entscheidungsfreiheit

Offener Wettbewerb

Was seit 2013 geschah

Während der Jahre nach 2015 hat sich ein neues politisches Klima entwickelt. Die öffentliche Gesundheitsversorgung ist, wegen der begrenzten ökonomischen Ressourcen und der schwachen Regierungen in den Ländern und Gemeinden nahezu vollkommen zusammengebrochen. Jetzt beeinflussen alternative Wege der Organisation des Gesundheitswesens die öffentlichen Debatten.

Im Jahre 2020, wurden die regionalen Pflegedienstleistungen im ganzen Land liberalisiert. Gleichzeitig verabschiedete das Parlament ein Gesetz, welches dafür sorgte, dass mehr und höhere Geldleistungen direkt an pflegebedürftige Menschen entrichtet werden. Jeder Person der Pflegeleistungen zustehen, werden Leistungen entsprechend dem jeweiligen Gesundheitszustand gewährt. Jeder kann diese finanzielle Unterstützung – meist in Kombiantion mit eigenen Mitteln – nutzen, und für jene Leistungen ausgeben, die sie brauchen und wollen.

Die Länder und Gemeinden als Akteure des Marktes

Die Aufgabe der Länder und Gemeinden ist es, dafür zu sorgen, dass den Bürgerinnen und Bürgern eine adäquate Gesundheitsversorgung entsprechend den nationalen Standards oder höher angeboten wird.

An manchen Orten wurden die öffentlichen Pflegeeinrichtungen gänzlich abgeschafft, wohingegen an anderen Orten diese weiterbestehen und mit den privaten Anbietern konkurrieren. Am erfolgreichsten sind jene Länder und Gemeinden, die es geschafft haben ein exzellentes Kompetenz- und Arbeitsumfeld aufzubauen und zusätzlich auch noch über qualifiziertes Personal verfügen. Das macht sie als Arbeitgeber und auch als Dienstleistungsanbieter konkurrenzfähig.

gunnar 05Guido

Guido ist es aufgrund seiner Demenz nicht möglich, sich selbst um den Kauf seiner Gesundheitsdienstleistungen zu kümmern. Die Gemeinde hat deshalb die Verantwortung übernommen über seine gesetzlichen Leistungszahlungen zu verfügen. Sie hat auch sicherzustellen, dass er gesundheitlich gut versorgt ist.

Zunächst hat ihn die Gemeinde in einer großen Wohnhausanlage für pflegebedürftige Menschen untergebracht, welche von einem internationalen Unternehmen betrieben wurde. Dieses Unternehmen war sehr kostengünstig und bot zudem eine einfache und stark überwachte Wohneinheit an. Sobald ein Alarm ertönte, wurde dieser in das Pflegezentrale im obersten Geschoss der Wohnhausanlage übermittelt. Die niedrigen Kosten spiegeln aber auch den niedrigen Standard dieser Wohnhausanlage wider. Es traten ständig technische Probleme auf und das Personal war unterbesetzt. Zudem bot die Wohnhausanlage nur wenige Möglichkeiten für soziale Aktivitäten und informelle Treffen an. Guido fühlte sich isoliert und wurde immer inaktiver, wodurch sich seine physische und psychische Verfassung verschlechterte.

Das Pflegezentrum wurde geschlossen, als das Unternehmen vom österreichischen Markt genommen wurde und alle Bewohnerinnen und Bewohner waren gezwungen auszuziehen. Da Guido keine Verwandten hat, bekam er in der Warteliste eines öffentlich betriebenen Demenzzentrums Vorrang eingeräumt.

Die hygienischen Bedingungen im neuen Zentrum waren hervorragend. Die öffentlichen Bereiche, die privaten Zimmer und Waschräume wurden täglich automatisch desinfiziert. In der Wohnung erinnerte ein sprach-basierter Erinnerungskalender Guido daran, wann die Speisen serviert werden oder Gruppenaktivitäten stattfinden, wann er schlafen soll, usw. Guido hat nicht viel Kontakt mit dem Personal. Dank seines Erinnerungskalenders kann er die meisten seiner  Sachen selbst organisieren.

In letzter Zeit hatte Guido ernsthafte Schwierigkeiten mit seinem Alltag. Wegen seiner Demenz ist er nicht in der Lage, die ihm gebotenen Möglichkeiten, zu nutzen. Er musste auch umziehen, was für ihn ein großes Problem war. Glücklicherweise hat die Gemeinde dafür gesorgt, dass er einen guten Platz fand. Man kann nur hoffen, dass er nicht wieder umziehen muss.

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Franz und Hilla

Vor ein paar Jahren haben sich Franz und Hilla dazu entschlossen mit zwei anderen Ehepaaren ein größeres Haus zu kaufen. Ihr Sohn und dessen Familie sind in einen anderen Teil des Landes verzogen.

Sie haben gemeinsam einen Pflege- und Krankenschwestern Service engagiert. Franz und Hilla können Schwester Rahila jederzeit rufen, wenn sie Hilfe benötigen. Schwester Rahila ist überaus sachkundig, und sie hat kontinuierlichen Kontakt zu den meisten modernen Spitälern in der Umgebung.

Immer wenn Franz Hilfe von einem Arzt benötigt, kontaktiert er zunächst seinen Hausarzt (Allgemeinmediziner) via email. Der Arzt ist sehr vertraut mit Franz COLE Symptomen und er weiß auch wie er ihm weiterhelfen kann. Falls notwendig, nimmt der Arzt mit dem nächstgelegenen Privatspital direkt Kontakt auf. Dieses kümmert sich dann entweder um eine lokale Behandlung bei Franz zu Hause oder er wird im Spital behandelt.

Die Internetverbindung ist die wichtigste Technologie für Franz und seine Mitbewohnerinnen und Mitbewohner. Sie nutzen den Fernseher, um mit ihren Freunden und Familien, die über das ganze Land verteilt leben, zu kommunizieren. Darüber hinaus sind sie aktive Nutzer sozialer Medien. Dies ermöglicht es ihnen mit anderen COLE-Patienten und herzkranken Menschen in Kontakt zu bleiben oder mit ihren Kindern und Enkelkindern zu sprechen. Manchmal nutzen sie die sozialen Medien  auch um die „Web-Kirche“ zu „besuchen“. Der Fernseher wird außerdem auch genutzt, um sich gemeinsam alte Film-Klassiker anzusehen. Ab und zu ärgert sich Franz über viele seiner älteren Freunde und Kollegen, die das Internet nur zum Email schreiben und „surfen“ nutzen. Er hofft, dass sie früher oder später realisieren, dass es viel mehr und vor allem bessere Anwendungen für das Internet gibt.

Franz verwendet außerdem sehr gerne sein Smartphone. Er hält stets Ausschau nach den neuesten Apps und Sensoren für sein Smartphone. Sobald er etwas Neues entdeckt, was ihm dabei helfen könnte, besser mit seiner Krankheit (COLE) umzugehen, redet er mit seinem Arzt darüber und bittet ihn darum es testen zu dürfen. Mittlerweile hat er bereits so viele Geräte, Apps und Sensoren getestet, die sich als nützlich herausgestellt haben, dass sie nun auch von seinem Arzt und dessen Patienten regulär eingesetzt werden.

Hilla geht jeden Tag an die frische Luft spazieren und es bereitet ihr auch Freude, solange sie sich dabei sicher fühlt. Ihr Mann begleitet sie nur ab und zu. Er ist in einem viel schlechteren gesundheitlichen Zustand als sie. Franz hat neulich eine Uhr mit eingebautem Ortungssensor für seine Frau gekauft. Die Uhr kann einen Alarm senden, falls Hilla stürzen sollte.

Franz und Hilla sind mit ihrem sozialen Leben glücklich und haben auch überaus gute Pflege um sich. Durch die telemedizinische Betreuung wird der Status von Franz COLE genau aufgezeichnet. Trotzdem vermissen Franz und Hilla ihre Kinder und Enkelkinder. Die Defizite der Kommunikation über das Internet werden ihnen immer bewusster, obwohl es trotzdem sehr nützlich ist.

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Elfriede

Elfriede lebt alleine, sie fühlt sich ängstlich und einsam. Vor einigen Jahren begann sie damit einen Teil ihrer Ersparnisse zu nutzen und sich damit zweimal in der Woche einen „persönlichen Assistenten“ zu leisten.

Ihre momentane Assistentin heißt Jelena und stammt ursprünglich aus Moldawien. Elfriede hat sie letztes Jahr kennengelernt. Elfriede hat die Agentur gewechselt, da die vorherige Agentur einerseits teuer und andererseits in Hinblick auf Vereinbarungen und Abrechnungen unzuverlässig war. Jelena aber ist sehr zuverlässig, hilfsbereit und spricht gut deutsch und Elfriede denkt, dass sie gut zusammenpassen. Jelena hilft ihr bei alltäglichen Dingen, aber vorwiegend begleitet sie Elfriede bei Spaziergängen, zu Cafes, Ausstellungen und ähnliche Aktivitäten.

Wenn es etwas gibt, was für Elfriede nützlich sein könnte, wie zum Beispiel Sturzsensoren oder eine elektronische Türmatte, dann stellt ihr Jelena diese Produkte vor. Aber nicht alle Produkte und Services die Jelena vorstellt, erweisen sich als tatsächlich nützlich für Elfriede. Wie zum Beispiel das Herzfrequenzpflaster oder das voll automatische Gerät zur Unterstützung der Körperpflege. Elfriedes Tochter hat sie gewarnt nicht alles zu kaufen was Jelena vorschlägt. Sie vermutet, dass Jelena Provisionen von den Anbietern dieser Produkte und Dienstleistungen kassiert, und dass für sie das Wohlergehen von Elfriede zweitrangig ist.

Nach ihrem Sturz im letzten Jahr hat Elfriede einen Rehabilitations-Service gefunden welcher von ehemaligen Kunden und Onlinebewertungen durchwegs positive Beurteilungen erhalten hat. Kurz nachdem sie sich beim Rehabilitations-Service angemeldet hat, wurde ihr ein Übungsgerät nach Hause geschickt, welches all ihre Übungen aufzeichnet. Ein Display zeigt ihr was sie genau zu tun hat und gibt ihr zeitgleich ein Feedback zu ihren Übungen. Zudem erstellt das Gerät einen Bericht über die täglich absolvierten Übungen. Mit dem Rehabilitations-Service hat sie außerdem  die Möglichkeit mehrmals die Woche zusammen  mit anderen Patientinnen und Patienten an Online-Übungsstunden teilzunehmen.

In letzter Zeit hat Elfriede auch mit dem online Dating begonnen. Es war Jelena, die sie darauf aufmerksam gemacht hat und meinte, dass es im Internet spezielle Foren und Chats für ältere Menschen gibt, die auch sehr unterhaltsam sein können, solange man sich an bestimmte Kommunikationsregeln hält. In der Tat chattet sie bereits regelmäßig mit einem Herrn, der sich selbst „Der Verehrer“ nennt! Manchmal ist sie sich aber über die Bedeutung von bestimmten Kurznachrichten nicht sicher, und sie will ihn auch noch nicht persönlich treffen. Ihrer Tochter hat sie davon noch nichts erzählt.

Elfriede geht es soweit gut. Sie hat eine solide finanzielle Basis, welche es ihr ermöglicht zwischen den unterschiedlichen Geräten und Dienstleistungen, die auf dem Markt sind auszuwählen. Zudem hat sie auch noch ihre Tochter, die ihr helfen kann. Dennoch kann es teilweise ganz schön anstrengend sein stets nach den aktuellsten und besten Geräten und Dienstleistungen Ausschau zu halten oder permanent den Anbieter zu wechseln. Des Weiteren muss sie auch pausenlos darauf achten nicht zum Kauf von Sachen überredet zu werden, die sie gar nicht benötigt.

Fragen, die zu beachten sind

  • Wie können sich Länder und Gemeinden in einer kompetitiven Umwelt (freier Markt) als attraktive Akteure etablieren?
  • Wie kann ein freier Markt die Nutzung von Technologien von unterschiedlichen Akteuren im Gesundheitssektor beeinflussen? Wie sieht es mit der Nutzung von Technologien in den Gemeinden aus?
  • Vermag ein freier Markt für die Versorgung älterer pflegebedürftiger Menschen nützliche und nutzbare Technologien voranzutreiben? In welchen Bereichen? Für wen? Wer profitiert davon?

Welche Herausforderungen oder ethische Dilemmata könnten durch den steigenden konsumentenorientierten Technologiemarkt für ältere pflegebedürftige Menschen entstehen? Wie kann man diesen Herausforderungen begegnen?

 

Szenario 3: Freiwilligengesellschaft

Die Mobilisierung älterer Menschen, deren Familien und der Gesellschaft.

Was seit 2013 geschah

Nach jahrelanger Überlastung der öffentlichen Pflegeversorgung, initiierte die Regierung im Jahre 2020 das Programm Gemeinschaft für ältere pflegebedürftige BürgerInnen, welches zur Mobilisierung von älteren BürgerInnen und von freiwilligen und ehrenamtlichen Helfern aufrief. Die Idee dahinter besteht darin, gesunde ältere BürgerInnen, deren Familien, Nachbarn, Wohltätigkeitsorganisationen und andere Freiwillige zur Entlastung der überforderten Pflegedienstleister heranzuziehen. Dieses Programm führte ebenso neue Typen der finanziellen Unterstützung ein, wie beispielsweise die Förderung von ehrenamtlichen Projekten in Ländern und Gemeinden. Das Programm Gemeinschaft für ältere pflegebedürftige BürgerInnen setzte ebenfalls viele bottom-up Initiativen von Gemeinden, Schulen, ehrenamtlichen Organisationen usw. in Gang.

Zeitgleich haben sich immer mehr Länder und Gemeinden dazu entschlossen, den Markt für neue Pflegedienstleistungsunternehmen zu öffnen. All diese neuen Unternehmen müssen die hohen nationalen Standards für Qualität und Würde erfüllen. Auch ausländische Betriebe können als Anbieter von  Pflegedienstleistungen für Länder und Gemeinden berechtigt werden.

Es haben sich auch noch weitere neue Trends etabliert. Ältere pflegebedürftige Menschen teilen sich seit der Einführung des Programms, sowohl ihre Ressourcen als auch die Unterkunfts- und Pflegekosten. Sie helfen sich auch gegenseitig im alltäglichen Leben. Informationstechnologien werden genutzt, um die Nachfrage und das Angebot von ehrenamtlichen Ressourcen wie beispielsweise IT-Kompetenzen, Hilfe bei der Gartenarbeit oder Chauffeurdienste zu koordinieren.

Die umfassende Rolle der Länder und Gemeinden

Die Länder und Gemeinden sind dafür verantwortlich, dass die Bewohner und Bewohnerinnen eine angemessene Gesundheitsversorgung erhalten. Dies beinhaltet auch das Monitoring und die Qualitätssicherung der bereitgestellten Pflegedienstleistungen. Ferner sind die Länder und Gemeinden dazu verpflichtet selbst einige Gesundheitsdienstleistungen zur Verfügung zu stellen, die Lizenzen für private Anbieter zu verwalten und die Koordination ehrenamtlicher Organisationen aktiv zu betreiben.

gunnar 05Guido

Land und Gemeinde haben Guido dabei geholfen, einen Platz in einem privaten Pflegezentrum für demenzkranke Menschen zu erhalten. Guido hat ein eigenes Zimmer mit einem Badezimmer und er genießt auch die im Pflegezentrum vorhandenen Einrichtungen für soziale Aktivitäten, wie beispielsweise die Cafeteria oder den schönen Gemeinschaftsgarten. Guidos Bedürfnis nach langen Spaziergängen hat sich aufgrund des schönen Gartens verringert.

Guido trägt eine Uhr mit eingebautem Ortungssensor. Sobald er sich weiter als 500m vom Pflegezentrum entfernt, wird ein Alarm ausgelöst. Der Alarm wird zunächst an ein Netzwerk von ehrenamtlichen Suchmannschaften geschickt. Zusätzlich wird es aber auch an das Pflegepersonal übermittelt. Der Alarm wird an die nächste diensthabende Person geleitet, welche sodann darauf reagiert. Das letzte mal als Guido einen längeren Spaziergang machte, konnte eine Person der ehrenamtlichen Suchmannschaft Guido über das in die Armbanduhr eingebaute Telefon anrufen und ihm so den Weg zurück in das Pflegezentrum weisen. Guido war etwas verwirrt da er nicht genau wusste, woher die Stimme gekommen ist. Glücklicherweise musste dieses Mal keine Suchmannschaft losgeschickt werden um Guido zu finden.

Das gesamte Pflegezentrum ist mit „smart-house“ Technologien ausgestattet, um die Sicherheit der BewohnerInnen zu gewährleisten. Da das Zentrum personell eher unterbesetzt ist, können sie nur die schwersten und wichtigsten Aufgaben übernehmen. Daher spielen die Angehörigen eine Schlüsselrolle in der Pflegeversorgung. Die Angehörigen treffen sich auch regelmäßig in Selbsthilfegruppen, die im Pflegezentrum stattfinden.

Da die  Gemeinschaftsräume und die Cafeteria des Pflegezentrums für jeden frei zugänglich sind, werden sie auch von älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger als Treffpunkt genutzt. Im Gegenzug zu den sehr günstigen Mahlzeiten helfen die ehrenamtlichen älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger beim Kochen, Servieren und beim Reinigen aus. Zudem organisieren sie kulturelle Veranstaltungen, Reisen oder bieten Kurse an. In dieser Hinsicht beeinflussen sie das alltägliche Leben im Pflegezentrum mehr als die unter Demenz erkrankten Bewohner selbst.

Obwohl Guido täglich während des gemeinsamen Essens andere Menschen trifft, verbringt er doch die meiste Zeit alleine. Er nimmt nur an wenigen der organisierten Aktivitäten teil. Deshalb genießt er es, wenn die Schulkinder aus der Nachbarschaft mit ihrem Betreuer zusammen täglich das Pflegezentrum besuchen, um dort ihre Hausaufgaben zu machen. Oft haben sie bei einer Tasse Kakao auch einen kleinen Plausch zusammen.

Guido ist sicher aber einsam. Land und Gemeinde haben einen sicheren Platz für ihn gefunden, wo er viele Freiheiten hat, zu tun worauf er Lust hat. Hingegen hindert ihn seine Demenz einerseits daran den gesellschaftlichen Umgang mit anderen zu genießen und andererseits fehlt es ihm an Initiative an unterschiedlichen Aktivitäten teilzunehmen. Guido ist die meiste Zeit alleine, da er keine nahen Verwandten hat, die sich um ihn kümmern könnten.

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Franz und Hilla

Franz und Hilla leben zusammen mit ihrem Sohn und dessen Familie. Sie helfen den beiden im Alltag, wofür sie auch Unterstützung in Form von Geldleistungen von Land und Gemeinde erhalten. Da ihr Sohn und ihre Schwiegertochter tagsüber arbeiten, helfen sie Franz und Hilla morgens und abends. Allerdings fühlen sie sich etwas überfordert, da sie neben ihrer Vollzeitbeschäftigung auch noch für die Pflege verantwortlich sind und sowohl für ihre Kinder als auch für Franz und Hilla  kochen müssen.

Aufgrund seiner schlechten gesundheitlichen Verfassung geht Franz nicht oft außer Haus um andere Menschen zu treffen. Hilla ist noch immer in relativ guter gesundheitlicher Verfassung. Sie geht täglich in das Lebensmittelgeschäft, um fit zu bleiben und um die Nachbarn zu treffen.

Franz ist ein aktiver Nutzer sozialer Medien. Neben anderen sozialen Netzwerken, ist er Mitglied der örtlichen Online Gemeinschaft für ältere pflegebedürftige Menschen. Er hilft anderen bei der Wahl und der Nutzung neuer Technologien. Da Franz Ratschläge hochgeachtet sind, wird er von den Personen denen er bereits geholfen hat, weiterempfohlen. Er ist immer mit etwas beschäftigt. Die Stunden die er damit verbringt anderen zu helfen, kann Franz gegen Dienstleistungen wie beispielsweise Gartenarbeit oder eine Mitfahrgelegenheit in das Seniorenzentrum für ihn und seine Frau Hilla eintauschen.

Auf ihrem täglichen Einkaufsweg besucht Hilla drei ihrer Nachbarn, um zu überprüfen ob alles in Ordnung ist. Wenn alles in Ordnung ist, was zumeist der Fall ist, klickt sie auf ihrem Smartphone auf „OK“. Neulich war sie aber etwas überfordert, nachdem sie ihre Nachbarin mit gebrochener Hüfte auf dem Boden liegend auffand. Aber nachdem sie auf ihrer Smartphone-App den „Alarm“ Knopf betätigte, wurde sie per Telefon mit jemanden verbunden der ihr weiterhalf und sie beruhigte. Innerhalb von 5 Minuten war der Rettungswagen vor Ort. Sie ist sehr froh darüber, dass sie ihren Nachbarn helfen kann. Vor allem aber schätzt sie die eine Stunde kostenlose Hausreinigung, die sie jede Woche im Gegenzug für ihre Dienstleistung erhält.

Franz hat einen Trainingsplan um mit seiner COLE klarzukommen. Sein Smartphone hilft ihm dabei seinen Trainingsfortschritt zu überwachen und stets einzusehen. Dazu zeichnen, die mit dem Smartphone verbundenen Körpersensoren die Trainingseinheiten und den Puls auf. Die Ergebnisse übermittelt Franz an seinen Physiotherapeuten, der die Trainingseinheiten an seine Fortschritte ständig adaptiert. Franz Sohn hat ebenfalls Einblick in die Ergebnisse und er ermutigt seinen Vater beim stetigen Verbessern seiner Leistungen. Obwohl Franz nicht ganz wohl bei dem Gedanken ist, dass sein Sohn ebenfalls Einblick in seinen Trainingsverlauf hat, schätzt er seine Unterstützung. Franz fühlt sich durch das Training fitter und er kann mit seiner Krankheit besser umgehen als zuvor.

Franz ist in einem Netzwerk eingebettet, welches ihn aktiv hält. Ungeachtet seiner schlechten physischen Verfassung, kann er seine technische Expertise mit andern teilen. Er hat eine Schlüsselrolle in der lokalen Gemeinschaft inne. Franz hat weder die Zeit noch die Energie sich noch mehr in das gesellschaftliche Leben zu integrieren, als er das ohnehin schon tut. Hilla trifft ihre Nachbarn täglich beim Einkaufen. Sie leistet einen Beitrag, indem sie täglich bei ihren nicht so fitten Nachbarn vorbeischaut, um zu überprüfen, ob alles in Ordnung ist. Vielleicht ist sie später selber auch einmal in der gleichen Lage wie ihre Nachbarn.

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Elfriede

Elfriede ist in ein Wohnhaus für ältere pflegebedürftige Menschen gezogen, welches im Stadtzentrum liegt. Elfriede trifft sich täglich mit Nachbarn und anderen älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern aus der näheren Umgebung. Sie organisieren unterschiedliche soziale Aktivitäten, Ausflüge usw. Sie und ihre Nachbarn haben daran mitgewirkt, dass intelligente Geräte, Sensoren und Bildschirme im gesamten Wohnhaus installiert werden. Sie haben auch einen Hausbetreuungsservice, einen Pflegeservice, Physiotherapie und einen Techniksupport bestellt.

Elfriede nutzt ihren Fernseher, um über Video- und Sprachtelefonie mit ihrer Familie in Kontakt zu bleiben. Sie ist eine aktive Nutzerin sozialer Medien, um mit ihren Freundinnen und Freunden in Kontakt zu bleiben, die neuesten Nachrichten zu erhalten und um über die Gemeinschaften, denen sie beigetreten ist, auf dem Laufenden zu bleiben.

Elfriede nutzt bereits seit einigen Jahren Sturz- und Körpersensoren, welche in ihre Kleidung integriert sind. Im Falle eines Sturzes, ungewöhnlichen Verhaltens oder abnormen Vitaldaten wird umgehend Alarm ausgelöst. Der Alarm wird automatisch an die nächste Person geleitet, die am geeignetsten für den jeweiligen Vorfall ist. Ihre Nachbarn haben einen Dienstplan erstellt, der es ihnen ermöglicht, mit leichteren Vorfällen selbst umzugehen. Die Nachbarn sind oft am nächsten und können falls notwendig, weitere Schritte einleiten wie zum Beispiel einen Krankenwagen oder den Pflegedienst rufen. Ernste gesundheitliche Vorfälle werden direkt an die Rettung übermittelt. Als Elfriede letztes Jahr im Badezimmer ausgerutscht ist, bemerkte sie selbst, wie schnell Hilfe vor Ort war. Zugegebenermaßen war es etwas beschämend für sie, dass ausgerechnet Willi, ihr Nachbar von gegenüber, sie in dieser Situation aufgefunden hat.

Nach ihrem Oberschenkelhalsbruch, wurde die Rehabilitation über den Physiotherpie-Service durchgeführt, welchen sie und ihre Nachbarn gemeinsam abonniert haben. Der Service wird durch freiwillige Studentinnen und Studenten bereitgestellt, die neue Trainings- und Rehabilitationsprogramme an ihnen testen. Durch kontinuierliches Monitoring, erhalten die Studierenden Feedback über die Wirksamkeit der Trainingsprogramme. Dieses nutzen sie zur stetigen Verbesserung und Anpassung des Trainings. Elfriede findet diese Abwechslung wohltuend, auch wenn sie die Physiotherapeuten und -therapeutinnen im richtigen Leben nicht oft trifft.

Elfriede ist glücklich. Sie hat das Glück Teil eines gut funktionierenden sozialen Hilfsnetzwerks zu sein. Ihre Rehabilitation verläuft sehr gut. Ihr momentanes Ziel ist es die Stiegen zu ihrer Wohnung wieder problemlos hochgehen zu können. Das einzige was sie beunruhigt ist die Frage „Wie und Wo“ ihre aufgezeichneten Gesundheitsdaten genutzt werden.

Fragen, die zu beachten sind

  • Können neue Technologien eine gut funktionierende Gemeinschaft ermöglichen? Wie und für wen?
  • Können neue Gemeinschaftsstrukturen gemeinsam mit neuen Technologien das Leben von älteren pflegebedürftigen Menschen verbessern? Wie oder wieso nicht?
  • Wie kann eine Mobilisierung älterer Menschen und anderer Gruppen der Gesellschaft zur Pflegeunterstützung erfolgen, wobei die Bedürfnisse der älteren pflegebedürftigen Menschen beachtet werden? Gibt es hierfür einen Bedarf an Technologien, um das zu erreichen? Wenn ja, wie?
  • Welche Herausforderungen oder ethische Dilemmata könnten durch die zunehmende Mobilisierung von Ehrenamtlichen und Freiwilligen im Bereich der Pflege entstehen? Wie kann man diese Herausforderungen meistern?
[1] Chronisch obstructive Lungenerkrankung

 

 

3 Personen

Lernen Sie Guido, Franz & Hilla und Elfriede aus dem Jahre 2025 kennen

In jedem der Szenarien begleiten wir vier ältere Menschen, die auf Hilfe und Unterstützung angewiesen sind, um ein eigenständiges Leben führen zu können. Die vier Personen wurden exemplarisch ausgewählt um zu zeigen, dass verschiedenen Menschen unterschiedliche Bedürfnisse haben. Zudem werden die vier Personen in den drei Szenarien mit unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert.

 

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Guido, 79 Jahre alt

Guido leidet unter Demenz. Er ist alleinstehend und abhängig von professioneller Hilfe und Unterstützung, um selbstständig leben zu können. Da sich Guido und seine Frau vor 40 Jahren scheiden ließen und sie keine Kinder haben, hat Guido keine nahen Verwandten.

Guido hatte in seinem Leben viele verschiedene Jobs. Während der letzten Jahre seines Arbeitslebens war er Fernbusfahrer. Seine Rente ist recht bescheiden.

Guido ist in guter physischer Verfassung und genießt es, sich im Freien oder im Haus zu bewegen. Da Demenz jedoch Orientierungslosigkeit verursacht, braucht Guido Hilfe, um sich zurechtzufinden. Seine gelegentliche Amnesie macht ihn hilfsbedürftig. Er braucht Hilfe dabei, seine persönlichen Finanzen im Auge zu behalten und diese zu kontrollieren.

Guido genießt verschiedene gemeinschaftliche Aktivitäten – jedoch ist es aufgrund seiner Krankheit nicht immer leicht für ihn die Initiative zu ergreifen.

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Franz und Hilla, 72 und 68 Jahre alt

Das Ehepaar Franz, ein pensionierter Ingenieur, und Hilla, ehemals Lehrerin, leben zusammen mit ihrem Sohn auf dem Land, wo sie sich ein Mehrgenerationenhaus miteinander teilen. Dort haben sie auch die meiste Zeit ihres Lebens verbracht. Franz und Hilla haben eine eigene kleine Wohnung im Haus. Das Wohnzimmer wird von allen genutzt. Ihr Familienzusammenhalt ist stark, sie haben täglich Kontakt zu ihren Geschwistern, ihrem Sohn und ihren Enkelkindern.

Franz war nie gut trainiert, noch hatte er eine gesunde Ernährung. Er ist starker Raucher, stark betroffen von COLE (Chronisch obstruktive Lungenerkrankung) und hat Schwierigkeiten, sich im Freien zu bewegen.

Hilla hat eine Herzkrankheit. Sie muss den Zustand ihres Herzens regelmäßig kontrollieren lassen und ihre Medikation genau abstimmen. Sie ist auf tägliche Übungen angewiesen.

Franz ist schon immer der „Technikfreak“ in seiner Familie gewesen. Er liebt neue Technologien und ist immer noch begierig, neue Produkte zu testen – er probiert alles aus, was er bekommen kann: Von neuen Handy-Apps über Hilfsgeräte bis hin zu medizinischen Geräten.

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Elfriede, 85 Jahre alt

Elfriede war Anwältin und ist finanziell gut abgesichert. Sie war fast ihr ganzes Leben lang gesund und hat sich immer um ihre eigene Gesundheit gekümmert. Letztes Jahr musste Elfriede jedoch eine intensive Rehabilitationszeit durchmachen, nachdem sie sich einen Oberschenkelhalsbruch zugezogen hatte. Sie ist nach wie vor bis zu einem gewissen Grad physisch beeinträchtigt und ist seit dem Vorfall ängstlicher geworden.

Elfriede genießt die Gesellschaft anderer. Da ihre beiden Kinder anderswo mit ihren eigenen Familien leben und Elfriede vor einigen Jahren zur Witwe wurde, möchte sie neue Leute kennenlernen und ein neues Netzwerk von Gleichgesinnten aufbauen.

Obwohl Elfriede viele Jahre in ihrem Arbeitsleben einen Computer benutzt hat, ist sie nicht interessiert an Computern oder anderen digitalen Geräten. Elfriede findet neue Software oder anderen „Schnickschnack“ anstrengend. Sie ist auch skeptisch bezüglich dessen, wie sicher die Informationen über sie zwischen verschiedenen Systemen übertragen werden.

 

Beschreibung der Technologien

Wie kann Technologie älteren pflegebedürftigen  Menschen dabei helfen, ihren Alltag besser zu meistern?

Ein genauer Überblick über bereits existierende und noch in der Entwicklung befindliche Telecare-Technologien in Europa ist im Deliverable D_6.2 des PACITA-Projektes dargestellt[1]. Nachfolgend sind einige Technologien angeführt, welche sich in der Unterstützung des alltäglichen Lebens älterer pflegebedürftiger Menschen als zukunftsträchtig herausgestellt haben.

Geräte, Detektoren und Sensoren

Geräte zur Ortung so wie beispielsweise am Gürtel, Schuh oder Halsband angebrachte GPS-Empfänger, können die Position der Personen, die diese Empfänger tragen, genau bestimmen. Demenzkranke Menschen, die beispielsweise Schuhe mit diesen GPS-Empfängern tragen, können im Falle, dass sie sich während ihres Spazierganges verirren, vom Pflegepersonal oder von den Angehörigen geortet und in weiterer Folge nach Hause gebracht werden. Das ermöglicht es Personen, die zum Beispiel unter Demenz oder unter räumlicher Desorientierung leiden, ihren Alltag  unabhängiger zu gestalten.

Detektoren und Alarmsysteme können überwachen und basierend auf festgelegten Kriterien Alarm auslösen (diese Technologien werden auch „Smart-house“ Technologien genannt). Licht, Heizung, Türen und Fenster sind automatisiert und im Haus oder in der Wohnung eingebaute Sensoren können bei Stürzen, Feuer, Überflutung und ähnlichem Alarm auslösen. Damit wird eine höhere Sicherheit und Unabhängigkeit ermöglicht.

Roboter sind automatisierte Maschinen, die programmiert und entwickelt werden, um Entscheidungen zu fällen und ihre Aufgaben an die Umwelt, in der sie agieren, anzupassen. Roboter können dabei helfen, praktische Aufgaben zu Hause zu verrichten (z.B. Reinigen, Gartenarbeit, Staubsaugen oder den Geschirrspüler ein- und ausräumen). Forscher und Forscherinnen entwickeln zur Zeit Roboter, die auch intimere Aufgaben, wie beispielsweise Unterstützung bei der Körperreinigung oder beim Essen, verrichtenkönnen. Diese Roboter werden entwickelt, um die Bewältigung der alltäglichen Aufgaben zu erleichtern und Menschen dabei zu helfen, unabhängiger zu leben.

Körpersensoren und spezialisierte medizinische Geräte, wie beispielsweise Smart-Uhren, Armbänder oder Sensoren zum Anbringen auf dem Körper, können den Gesundheitsstatus des Patienten aufzeichnen bzw. überwachen und ermöglichen somit eine medizinische Behandlung über Distanz (Telemedizin). Die Aufzeichnung und Auswertung von wichtigen Körper- und Vitaldaten wie zum Beispiel Puls, Lungenkapazität oder Blutwerte, erlaubt es laufende Therapiemaßnahmen, Medikationen u. ä. zu evaluieren, ohne dabei die Wohnung verlassen zu müssen. Des Weiteren kann, basierend auf den erhobenen Daten,  eine ärztliche Konsultation empfohlen werden. Menschen mit chronischen Herzerkrankungen können mittels drahtloser Körpersensoren ihre Herzaktivität permanent aufzeichnen. Die Daten werden regelmäßig an den Pflegedienstleister oder einen Arzt geschickt. Kommt es zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder zu einem Notfall, wird umgehend ein Alarm ausgelöst. Auf diese Weise können PatientInnen eine erhöhte Unabhängigkeit, Sicherheit, Mobilität und krankenhausfreie Zeit erleben.

Kommunikation

Das Internet eröffnet eine Vielzahl an verschiedenen Möglichkeiten der Kommunikation. Die meisten Sensoren, Detektoren und Geräte zum Überwachen des Gesundheitszustandes sind mit Tablets oder Smartphones verbunden. Dadurch können die gesammelten Daten über das Internet an Pflegedienstleister, Ärzte usw. geschickt werden.

Einige Detektoren und Alarmsysteme benötigen speziell entwickelte Kommunikationswege, um die Daten sicher an den Pflegedienstleister oder die Alarmzentralen (Rettung und Feuerwehr) übermitteln zu können.

Dienstleistungen und Anwendungen (Apps):

Über das Internet sind unzählige Dienstleistungen verfügbar. Mittels dieser Dienstleistungen kann der Kontakt zu Mitmenschen beibehalten werden und neue Kontakte können geknüpft werden. E-mail, Chat und soziale Medien werden genutzt, um sowohl die Kommunikation mit FreundInnen und der Familie, als auch mit Gesundheitsdienstleistern und anderen gesundheitsrelevanten Akteuren und Organisationen zu ermöglichen. Videokameras, Mikrophone und Lautsprecher versprechen eine ganzheitliche Kommunikation, Konsultation und Diagnose an unterschiedlichen Standorten.

Viele alltägliche Aufgaben und Tätigkeiten können durch das Internet einfacher erledigt werden (z.B. das Lesen von Zeitungen, das Bestellen von Essen, Karten für Veranstaltungen und anderen Waren, Bezahlen von Rechnungen und das Erledigen anderer Bankgeschäfte sowie das Betrachten von Filmen). Durch das Internet kann dasOrganisieren und Teilen von Ressourcen, wie beispielsweise Hilfe bei der Reinigung oder Gartenarbeit, Unterstützung bei technischen Problemen oder „Taxidienste“, flexibel und rasch koordiniert werden. Webbasierte Rehabilitationsprogramme sind verbreitet. Sie geben einem die Möglichkeit dem Rehabilitationsplan von zu Hause aus zu folgen und mit den Gesundheitsdienstleistern und mit Mitmenschen, die sich in der Selben Situation befinden, zu kommunizieren.

Anwendungen (Apps), die auf Tablets und Smartphones installiert sind, können dabei helfen, mit chronischen Krankheiten zu leben und bieten zudem Unterstützung durch die laufende Überwachung der Messungen, die von Sensoren und spezialisierten medizinischen Geräte vollzogen werden. Durch die Analyse der Daten können die Messungen, Alarme und Sensordaten interpretiert, visualisiert und in verständliche und umsetzbare Informationen umgewandelt werden. So kann beispielsweise eine mobile Anwendung die kardiologischen Daten visualisieren und auf abnorme Verläufe hinweisen. In solch einem Fall können Angehörige oder Mediziner umgehend alarmiert werden. So genannte Memoplaner können an Demenz erkrankten Menschen dabei helfen sich an die Termine, Verabredungen und an die Einnahme ihrer Medikamente, zu erinner.


[1] PACITA:  Telecare technology in Europe, Deliverable des PACITA Projektes, http://wp6.pacitaproject.eu/wp-content/uploads/2014/02/Telecare-description-web.pdf, Dezember 2013.

3 Szenarien

Szenarien, Kurzgeschichten der Nutzerinnen und Nutzer und Szenario-Workshops

Die Gesellschaft und unsere Politikerinnen und Politiker sind bei der Entwicklung von Strategien zur Bewältigung der Herausforderungen einer älter werdenden Gesellschaft mit vielen und teils gegensätzlichen Prioritäten konfrontiert. Die Ergebnisse und Implikationen unserer Entscheidungen können jedoch schwer antizipiert werden.

Szenarien

In diesem Projekt werden Szenarien als Werkzeug dafür genutzt, um eine Debatte über die Zukunft der Versorgung für ältere pflegebedürftige Menschen anzuregen. Die Szenario-Analyse versteht sich als Prozess, in dem mögliche zukünftige Ereignisse durch das Einbeziehen von alternativ möglichen Ereignissen analysiert werden. Die Szenario-Analyse ist hierbei weder eine Voraussage der Zukunft, noch stellt sie eine kohärente Analyse aller Aspekte einer bestimmten möglichen Zukunft dar. Sie präsentiert vielmehr bewusst verschiedene Alternativen zukünftiger Entwicklungen.

Die Szenarien basieren einerseits auf Erfahrungen, die während eines Szenario-Workshops im Jahre 2008 in Norwegen[1] gemacht wurden, und andererseits auf den Diskussionen mit einer Gruppe von Interessenvertreterinnen und –vertretern (Stakeholder) aus den teilnehmenden Ländern.

Kurzgeschichten der Nutzerinnen und Nutzer

Um Bewusstsein über die Entscheidungen, die wir heute fällen, zu schaffen und um diese greifbar zu machen, wurden Kurzgeschichten von Nutzerinnen und Nutzern erstellt. Dabei handelt es sich um drei Geschichten, in denen der Alltag von vier Individuen im Jahr 2025 beschrieben wird. Sie werden Guido, Elfriede und das Ehepaar Hilla und Franz kennenlernen.

Die Kurzgeschichten sollen zur Reflexionen anregen  und Debatten provozieren. Die schnell fortschreitende Entwicklung der Technologien wird uns viele Chancen eröffnen, aber auch vor viele Herausforderungen und ethische Dilemmata stellen. Probleme und Themen, die mit dieser Entwicklung einhergehen, sind in den Kurzgeschichten enthalten.

Szenario-Workshop

Die Szenarien und die Kurzgeschichten der Nutzerinnen und Nutzer in diesem Dokument dienen zur Vorbereitung auf den Szenario-Workshop. Die Szenario-Workshop-Methode ist eine Methode, um Diskussionen über die Zukunft anzuregen und um politische Alternativen in verschiedenen Kontexten zu identifizieren.

Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Szenario-Workshops sind in der Regel Stakeholder. In unserem Fall handelt es sich dabei um Akteure, die auch zukünftig eine wichtige Rolle in der Versorgung  älterer pflegebedürftiger Menschen spielen werden. Das sind Interessenvertreterinnen und  vertreter der älteren Menschen und ihrer Angehörigen, Menschen, die im Gesundheitswesen, in Industrie, Forschung und Entwicklung arbeiten, oder Vertreterinnen und Vertreter der lokalen Politik und Freiwilligenorganisationen.

Durch die Beteiligung von Stakeholdern können politische Entscheidungen robuster und sozial akzeptabler gestaltet werden. Des Weiteren können die Stakeholder auf diesem Weg Prozesse mitgestalten, wodurch die Umsetzung und Implementierung von gesellschaftsrelevanten Entscheidungen erleichtert werden kann[2].

Das Ziel des PACITA-Szenario-Workshops ist es, wünschenswerte Visionen davon zu erstellen, wie die zukünftige Versorgung älterer pflegebedürftiger Menschen in Europa, organisiert sein könnte und welche politischen Maßnahmen zu deren Umsetzung notwendig wären. Diese Visionen beruhen auf den verschiedenen Sichtweisen der Stakeholder, die während des Szenario-Workshops diskutiert werden.

Eine Vision im Kontext des PACITA-Szenario-Workshops ist ein Bild einer erwünschten Zukunft in Hinblick auf die Versorgung älterer pflegebedürftiger Menschen. Die Visionen können ethische, soziale und/oder gesetzliche Herausforderungen thematisieren, die während des Workshops identifiziert wurden.

3 Szenarien

Um eine gute Lebensqualität für ältere pflegebedürftige Menschen in der Zukunft zu erreichen, sollten eine Reihe Faktoren berücksichtigt werden, etwa, wie die familiäre Situation der Betroffenen aussieht, ob sie im städtischen oder ländlichen Raum leben, oder ob sie in der Lage sind, am sozialen Leben teilhaben zu können.

Die Szenarien dienen dazu, verschiedene Strategien aufzuzeigen, nach welchen eine Gesellschaft in ihrem Pflegesektor verfahren kann und wie die politischen Entscheidungen wirken.

Diese basieren auf den folgenden möglichen ungewissen Entwicklungen:

  1. Werden zukünftig staatliche oder private Anbieter Pflege anbieten?
  2. Ist das System darauf vorbereitet, dass ältere pflegebedürftige Menschen ihr Leben auf kollektive oder individuelle Lösungen ausrichten?

Bei der Erstellung der Szenarien, im Rahmen des PACITA-Projektes, haben wir uns auf die oben angeführten Fragen konzentriert und sie auf zwei Achsen diskutiert. Ein Extrempunkt auf der waagrechten Achse ist es, wenn die Bundesregierung darüber entscheidet, welche Technologien den älteren pflegebedürftigen Menschen zur Verfügung gestellt werden. Dem  gegenübergestellt ist der andere Extrempunkt. Hier können ältere pflegebedürftige Menschen, über einen freien Markt, selber darüber entscheiden, welche Technologien sie nutzen wollen.  Auf der senkrechten Achse gibt es ebenso zwei Extrempunkte. Im einen Fall helfen freiwillige ältere Menschen, Familien und die Gemeinschaft mit und diese sind gleichzeitig die Hauptressource, die die Pflegedienstleistungen für ältere pflegebedürftige Menschen ermöglichen. Der andere Extrempunkt wäre, dass jedes Individuum sich selbst um seine Pflegeversorgung  kümmern muss.

Die Realität liegt natürlich zwischen diesen Extrempunkten. Um die Auswirkungen von verschiedenen politischen Entscheidungen darzustellen, wurden drei Szenarien entwickelt. Die drei Szenarien entsprechen nicht den oben genannten Extremsituationen, sondern auf einer Kombination der verschiedenen Extreme. Die Verortung der Szenarien in ein Koordinatensystem, je nachdem, welchen Extremen sie entsprechen, ist in der unteren Abbildung dargestellt.

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Die drei Szenarien zeigen, wie sich die Gesellschaft entwickeln kann. Ferner veranschaulichen sie, wie  sich Gesundheitsdienstleistungen unter verschiedenen Rahmenbedingungen  entwickeln können und welchen Einfluss diese Entwicklung auf regionaler Ebene hat. Drei Situationen werden dargestellt, nämlich eine zunehmende Kontrolle durch den Öffentlichen Sektor, ein starker Privatsektor und eine besser organisierte Freiwilligengesellschaft. Die Szenarien zeigen auch, was die regionalen Entscheidungsträger (Länder/Gemeinden) tun können, um die Herausforderungen besser zu bewältigen.

Szenario 1: Eine für alle Situationen passende Lösung

Dieses Szenario basiert auf der Annahme eines zukünftigen Arbeitskräftemangels und beschreibt eine groß angelegte Initiative der Bundesregierung, die Menschen helfen soll, durch den vermehrten Einsatz von Technologien selbständiger zu werden.

Szenario 2: Entscheidungsfreiheit

Dieses Szenario basiert auf der Vorstellung eines neuen Regimes, in dem Menschen mit Betreuungsbedarf  höhere Geldleistungen erhalten und über diese auch selbstständig verfügen können. Es beschreibt eine Gesellschaft, in der Betreuungsangebote auf dem Markt gekauft werden können, welcher eine Vielfalt von Serviceangeboten und technischen Hilfsmittel anbietet. Jeder, der pflegebedürftig ist, hat abhängig vom jeweiligen Gesundheitszustand einen Anspruch auf Leistungen und finanzielle Hilfe.

Szenario 3: Freiwilligengesellschaft

Dieses Szenario basiert auf ehrenamtlich beitragenden Menschen als Schlüsselressource für die Gemeinschaft und füreinander. Der Kreis kann ältere Menschen selbst, ihre Angehörigen, Hilfsorganisationen, Nachbarinnen und Nachbarn, Schülerinnen und Schüler etc. umfassen. Die Rolle der Gemeinden und Länder besteht in der Unterstützung zur Gründung und Koordination entsprechender Freiwilligenorganisationen, welche bei der Versorgung älterer pflegebedürftiger Menschen  eine zentrale Rolle einnehmen.

 


[1] Norwegian Board of Technology, Future ageing, 2009.

[2] Norwegian Board of Technology: Community Dialogue on Research and Technology (in Norwegian), 2008

Fragen, dilemmas & dimensionen

Fragen, die während des Lesens der Szenarien beachtet werden sollten

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Die Diskussion über die Zukunft der Versorgung älterer pflegebedürftiger Menschen zeigt Bedenken und ethische Dilemmata auf. Während Sie die nachfolgenden Szenarien lesen, ist es wichtig, einige einschlägige Fragen zu berücksichtigen. Beispiele für diese Fragen sind:

  1. Wie kann die Versorgung  älterer pflegebedürftiger Menschen in diesen Szenarien besser gestaltet werden?
  2. Wie kann Technologie die Lebenssituation älterer pflegebedürftiger Menschen zu Hause und an anderen Wohnorten verbesseren?
  3. Wie kann uns Technologie helfen, die Versorgung älterer pflegebedürftiger Menschen zu verbessern (Kompetenzen, Fähigkeiten etc.)?
  4. Wann sind spezielle Maßnahmen notwendig? (z.B. für Menschen mit besonderen Bedürfnissen wie etwa Demenzerkrankungen)
  5. Besteht Bedarf für zusätzliche Ausbildung von Pflegepersonal und Krankenpflegerinnen und  pflegern bei der Anwendung neuer Technologien?
  6. Was sind die Hauptprobleme und unerwünschten Effekte bei der Anwendung von Technologien für die Pflege?
  7. Unter welchen Bedingungen werden Technologien für die Pflege als Bedrohnung für die Privatsphäre und als Überwachung empfunden?
  8. Wie kann es einen Ausgleich zwischen dem Schutz der Privatsphäre und dem Sicherheitsgefühl bei Pflegedienstleistungen geben?
  9. Wie weit sind wir bereit, Pflegetechnologien zu nutzen, wenn sie zur Reduktion der Autonomie älterer pflegebedürftiger Menschen führen?
  10. Wie kann die Anwendung von Technologien zu mehr oder weniger Isolation von älteren pflegebedürftigen Menschen in der Gemeinschaft führen?

Statistik

Die Weltbevölkerung altert rapide

Im Zeitraum von 2000 bis 2050, wird sich der Anteil der Weltbevölkerung, die 60 Jahre und älter sind, von ungefähr 11 % auf 22 % verdoppeln. Zudem rechnet man damit, dass im selben Zeitraum die absolute Zahl an Menschen, die 60 Jahre und älter sind, von 605 Millionen auf zwei Milliarden Menschen ansteigen wird. Auf der Erde werden mehr Menschen denn je leben, die sich gerade in ihren Achtzigern und Neunzigern befinden. Die Anzahl an Menschen, welche 80 Jahre oder älter sind, wird sich im Zeitraum von 2000 bis 2050 auf 395 Millionen vervierfachen[1].

Die Wahrscheinlichkeit, auf Pflege angewiesen zu sein, steigt mit zunehmendem Alter. Im OECD-Durchschnitt benötigen weniger als 1 % der Menschen, die jünger als 65 sind, Langzeitpflege, während 30 % der Frauen, die älter als 80 Jahre sind, Langzeitpflege benötigen[2].

 

 

Der Anteil der Bevölkerung, der über 80 Jahre alt ist, wird rapide steigen

 

 

Der Bedarf an Pflegedienstleistungen wird steigen

Der Bedarf an Menschen, die in der Langzeitpflege arbeiten, wird sich bis 2050 verdoppeln[3]. Man erwartet, dass der Anteil an Frauen, die ihre Angehörigen pflegen, durch die steigende Frauenerwerbstätigkeit zunehmend sinken wird. In vielen europäischen Ländern herrscht zudem ein Mangel an ausgebildetem Pflegepersonal. Eine weitere gesellschaftliche Veränderung beruht auf der Tatsache, dass Menschen nach mehr patienten-orientierter Pflege verlangen. Patientinnen und Patienten werden zunehmend in ihre Behandlung und in die medizinischen Entscheidungen eingebunden[4]

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Der Bedarf an Personal in der Langzeitpflege wird sich bis 2050 in vielen Ländern verdoppeln

Altern im Jahre 2025

Es ist damit zu rechnen, dass Technologien und Innovationen im Bereich der Pflege und Pflegedienstleistungen dabei helfen können, den Anforderungen eines nachhaltigen Gesundheitssystems gerecht zu werden. Durch die Einführung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) und Telemedizin wird eine Effizienzsteigerung in der Gesundheitsversorgung von 20 % erwartet. Gleichzeitig soll sich dadurch die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten erhöhen[5]

Technologien aus den Bereichen Telecare, Telemedizin, Wohlfahrtstechnologien, Robotik, Ambient Assisted Living, aber auch weit verbreitete Technologien des alltäglichen Lebens, wie beispielsweise PCs, Smartphones und Tablets, werden in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit eine wichtige Rolle in der Unterstützung pflegebedürftiger Menschen spielen.

Diese Technologien haben das Potential, älteren pflegebedürftigen Menschen dabei zu helfen

  1. unabhängiger, sicherer und länger zuhause zu leben;
  2. Krankenhausaufenthalte zu verhindern, zu verzögern oder zu reduzieren;
  3. besser am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und neue Kontakte zu knüpfen; und
  4. in „Pflegeverhältnissen“ besser zu leben.

Die Technologien können auf unterschiedliche Art und Weise genutzt werden. Unsere Gesellschaft hat die Möglichkeit, zwischen unterschiedlichen Strategien für Pflegedienstleistungen und die Einführung neuer Technologien in diesem Sektor zu wählen. Während die Technologien viele Chancen versprechen, gilt es, Herausforderungen zu lösen und ethische Dilemmata zu beachten. Wie können wir neue Technologien in der Pflege am besten nutzen und vor welche Entscheidungen  wird die Politik gestellt?


[2] Help Wanted? Providing and Paying for Long -Term Care, 2011

[4] PACITA: Telecare technology in Europe, Deliverable D_6.2 des PACITA-Projekts, Dezember 2013

[5]  Europäische Kommission, Digital Agenda for Europe, ICT for Societal Challenges, 2013, Seite 6.